Bozen. Die Welt der Altstadt ist geprägt von Gotik und Barock,
Gassen und Giebeln, Erkern und Türmchen. Einmalig ist
die Laubengasse, Bozens zentrale Einkaufsmeile mit einem
Gewölbegang auf beiden Seiten. Hinter den alten Mauern verstecken
sich moderne und modische Boutiquen, die es durchaus mit
Mailand und München aufnehmen können.
Bild:
Südtirols Süden
In der
Hauptstadt von Südtirol ist Radfahren sogar mitten im Stadtverkehr
ein Genuss. Dafür sorgen die neuen, gut beschilderten Radwege,
Servicestationen - und individuell geführte Touren durch Stadt
und Umland. - Die Szenerie entstammt einer Postkartenidylle.
Vor uns halten zwei Vespafahrer. Nebenan in einem kleinen Straßencafe
trinken junge, hippe Menschen ihren Espresso. Unter dem Denkmal
in der Mitte der Piazza Walther knutscht ein Pär-chen. Ganz so,
wie man sich die Atmosphäre in einer italienischen Stadt vorstellt.
Was auf den ersten Blick nicht ins Bild passt, sind all die Fahrräder,
die man hier, mitten in Südtirols Hauptstadt sieht. Radfahren
in einer Stadt südlich des Brenners? Bevor wir unsere Tour durch
Bozen starteten, dachten wir an Schlaglöcher im Asphalt, enge
Straßen, die man sich mit Fiatfahrern und Motorrollern teilen
muss, an ein beinahe waghalsiges Abenteuer. Stimmt nicht, stellen
wir schon nach wenigen Minuten fest. Jedenfalls nicht in Bozen.
Stadt auf
zwei Rädern Südtirol, die nördlichste italienische Region, ist Radlern
freundlich gesonnen. Biketouristen sind nach Wanderern und Weinfans
eine weitere Zielgruppe der Tourismusmanager. Das gilt nicht nur
für sportlich ambitionierte Pedaleure, etwa Mountainbiker und Rennradfahrer,
sondern auch für die so genannten "Genussradler". Und die sind auch
im Verkehr des 100.000-Seelen-Städtchens willkommen. In Bozen wird
kein Tourist für seltsam gehalten, nur weil er sich per Muskelkraft
fortbewegt. Denn - sehr untypisch für eine südeuropäische Stadt
- die Einheimischen machen es genauso. Gut ein Viertel der Einwohner
Bozens nutzt das Fahrrad als Transportmittel, auch auf dem Weg zur
Arbeit, das hat das "Fahrradbarometer" gezeigt, das Bozen als erste
Stadt in Italien installiert hat. Das Gerät steht an einer viel
befahrenen Fahrradstrecke und zählt die Radfahrer in beiden Richtungen.
Angezeigt wird die aktuelle Zahl der Radfahrer, die an diesem Tag
die Zählstelle passiert haben und zusätzlich die Gesamtzahl aller
Radler seit Beginn der Zählung.
In Bozen wird kein Tourist für seltsam gehalten, nur weil er sich
per Muskelkraft fortbewegt. Denn - sehr untypisch für eine
südeuropäische Stadt - die Einheimischen machen es genauso.
Bild:
SMG/F.Blickle
Blumentouren. Wenn es nach den Wünschen der Gemeindeverwaltung geht, sollen noch
min-destens drei Prozent mehr Radfahrer dazukommen. So will sie
Bozens Ruf als radfreundlichste Stadt Italiens festigen. Das Radwegenetz
wird deshalb weiter ausgebaut. Die bestehenden Wege und Rundtouren
werden durch Farben so markiert, dass die Orientierung leichter
fällt. Eine neue Karte der Radwege, die dieses Farbleitsystem aufgreift,
ist ebenfalls in Arbeit. Schon jetzt sind die Straßenränder entlang
der Wege liebevoll bepflanzt. Südtirols Süden ist für die viel-fältige
Schönheit und die Blütenmeere seiner Landschaften bekannt - die
Stadt fällt dahinter nicht ab. Die Radfahrer sollen auch in der
Stadt das Gefühl haben, sich in einem bunten Umfeld zu bewegen,
das mit den Jahreszeiten wechselt.
Durch Gotik
und Barock. Wer als Tourist die Stadt nicht auf eigene Faust
erkunden will, sollte den neu gegründeten Service "Passepartour"
nutzen. Seine Mitarbeiter bieten geführte Radtouren durch Bozen
und Umgebung an. Die Gruppen der deutsch- und italienischsprachigen
Führer haben nicht mehr als 15 Teilnehmer, die Tagesetappen sind
zwischen 5 und 40 Kilometer lang. Man kann sein eigenes Rad mitbringen
oder vor Ort eins mieten. Die Touren führen kreuz und quer durch
die Stadt, wir haben die Route durch das mittelalterliche Bozen
gebucht. Die ist zwar nur 5 Kilometer lang, aber trotzdem mit zwei
Stunden veranschlagt. Kein Wunder, bei all den Sehenswürdigkeiten,
an denen unsere Gruppe vorbeikommt. Die Welt der Altstadt ist geprägt
von Gotik und Barock, Gassen und Giebeln, Erkern und Türmchen. Einmalig
ist die Laubengasse, Bozens zentrale Einkaufsmeile mit einem Gewölbegang
auf beiden Seiten. Hinter den alten Mauern verstecken sich moderne
und modische Boutiquen, die es durchaus mit Mailand und München
aufnehmen können. Gut, dass es überall Fahrradparkplätze gibt, an
denen man sein Bike kurz parken kann, sei es, um eine Kirche zu
besichtigen oder kurz shoppen zu gehen.
Besuch beim
Minnesänger. Spätestens nach dieser Tour sind unsere anfänglichen
Zweifel verflogen. Das Rad erweist sich tatsächlich als ideales
Fortbewegungsmittel für diese Stadtrund-fahrt: Wir sind gut doppelt
so schnell wie Fußgänger und sehen daher weit mehr, wir spüren den
angenehmen Fahrtwind - und sind dennoch dem Leben der Einheimischen
nahe genug, um vielfältige Sprachfetzen, Eindrücke oder Gerüche
aufsaugen zu können. Wir beenden unsere Tour da, wo wir sie begonnen
haben: Das Herz des alten Bozen schlägt am Waltherplatz, benannt
nach Walther von der Vogelweide, der 1170 in der Nähe geboren wurde.
Um uns herum herrscht südliche Lebensfreude, man trifft sich zum
Sehen und Gesehenwerden. So ist das auch im nördlichen Teil Italiens,
in Südtirol.